Aufgewärmtes schmeckt besser

Wir Menschen lieben Geschichten. Besonders die, die wir noch nicht kennen. So sagen wir jedenfalls. Eine Studie kommt allerdings zu einem völlig anderen Ergebnis. Wir wollen lieber Aufgewärmtes.

Fragen Sie doch einfach mal spaßeshalber alte Menschen, was sie meiden wie der Teufel das Weihwasser. Sollte gerade keiner zur Hand sein, kann ich Ihnen, als Fachmann für das Unaufhaltsame, das auch beantworten. Es gibt ein zwei Dinge die wir Alten peinlich versuchen zu vermeiden, muffig riechen und ständig die gleichen alten Kamellen erzählen.  Gegen ersteres hilft, den Körper großflächig mit Patchouli duschen und die Wohnung mit Räucherstäbchen einnebeln. Die Woodstocker unter uns haben immer ein paar Kartons in den Ecken rumliegen. Sie liegen meist neben den Resten des Schaffell Mantel aus Afghanistan. Selbst importiert. Dem Schaf geradezu eigenhändig vom Körper gerissen. Herrlich wie der nach all den Jahren riecht. Eine Mischung aus schwarzer Afghane, Moorleiche und Kellergewölbe.

Aber ich schweife ab. Zurück zu den alten Kamellen. Gegen dsie hilft Gedächtnistraining sowie eine Kladde mit „habe ich bereits erzählt“ und, natürlich, die ständige Suche nach brandneuen Geschichten. Und zwar solche die wir bisher niemanden erzählt haben, weil sie sich nämlich erst gestern zugetragen haben. Die Verfallszeit beträgt 24 Stunden. Alles was wir davor erlebt haben ist nicht mehr neu und gilt als alte Kamelle. Weil wir sie wahrscheinlich ohnehin schon mehrfach erzählt haben. Das will ja keiner mehr hören, oder?

Pustekuchen, das will keiner mehr hören. Das Gegenteil ist der Fall. Daniel Gilbert von der Harvard University hat ein Experiment gemacht. Ein Erzähler hatte die Aufgabe zwei Zuhörern einen Vortrag zu über die Intelligenz von Krähen zu halten. Zuvor hat Gilbert sie gefragt was sie lieber mögen, Neuigkeiten oder Bekanntes. Übereinstimmend äußerten sie größere Freude an Neuigkeiten zu haben. Im Anschluss an den Vortrag wurden die Zuhörer um ihre Meinung gebeten, wie spannend und verständlich sie den Vortrag fanden. Die Zuhörer die den Vortrag bereits kannten fanden ihn wesentlich besser als die die ihn noch nicht kannten. Letztere fanden es eher langweilig und hatten Mühe dem Inhalt zu folgen.

Woran liegt das? Nun die meisten Menschen sind schlechte Erzähler. Es gelingt ihnen nur sehr unzureichend komplexe Zusammenhänge einer Geschichte so zu erzählen, das sie anschaulich, interessant und spannend ist. Wer das Erzählte aber bereits kennt, kann der Erzählung besser folgen, weil er die Lücken und Brüche in der Erzählung leichter ausgleichen kann. Das sorgt für einen größeren Genuss und ist dafür verantwortlich, dass die meisten Menschen bekannte Geschichten lieber hören als unbekannte.

Für mich ist diese Erkenntnis eine Wohltat. Jetzt muss ich mich nur noch darum kümmern, den muffigen Geruch im Zaum zu halten und kann bedenkenlos mein Repertoire an alten Kamellen rauf und runter erzählen. Da ich nur drei aus dem FF beherrsche, kommt natürlich keine Langeweile auf. Alle werden sie es genießen. Die anderen sollen sich an Gilbert wenden. Besonders meine Kinder, die, wenn ich eine zum Besten gebe, am Ende stets einwenden: „Aber letztes Mal Papa, da ging die Geschichte aber ganz anders aus.“ Ja mein Gott, das Volk will Brot und Spiele, da muss unsereins schließlich Abwechselung bieten.