Geld spielt keine Rolle, so lange man welches hat. Ist es weg, wird es allerdings blöd. Um das zu verhindern arbeiten wir. Solange die schnöde Gleichung Geld gegen Arbeit, viel Geld gegen noch viel mehr Arbeit gilt, so lange ist freie Zeit für andere Dinge ein knappes Gut. Doch diesem Diktat verweigern sich immer mehr, insbesondere die Mitglieder der „überforderten Generation“. Immer mehr von ihnen wollen mehr Zeit und weniger Hamsterrad. Das weniger an Geld gleichen sie mit DIY, do-it-yourself in allen Lebenslagen aus.
In meiner Jugend, der Kaiser hatte kurz vorher abgedankt, haben wir noch herzlich über den Spruch „Arbeit schön und gut, aber Hände und Füße müssen Ruhe haben“ gelacht. Arbeit war etwas körperliches, etwas bei dem man anpacken mußte und seine Muskeln benutzte. Wohl auch den Kopf, aber nur damit man nicht hinfiel. Die wenigen Angestellten, die in ihren Büros saßen und Zahlenkolonnen addierten fielen nicht weiter ins Gewicht. 2015 haben wir nun erreicht, worüber wir damals gelacht haben. Ca. 44% aller Arbeitnehmer sind heute im engeren oder etwas weiteren Sinne Wissensarbeiter. Das heißt sie nutzen nicht mehr ihre Muskeln sondern nur noch den Kopf. Wer daraus die Schlussfolgerung zieht, die übrigen Teile des Körpers würden nun nicht mehr gebraucht, hat die Rechnung ohne den sprichwörtlichen Wirt gemacht.
Wer Hände und Füße nicht virtuos zu benutzen weiß, wer nicht schnell von A, nach B. rennt, kommt unter die Räder. Wie sonst sollen Ausbildung, Beruf, Karriere, Partnerschaft, Kinder und Familie unter einen Hut zu bringen sein. Schon während der Schulzeit etliche Projekte, vor und während der Studiums Praktika, möglichst viele davon im Ausland. Masterstudium unmittelbar anschließend, natürlich. Selbstverständlich alles mit Bestnote. Promotion? Bei Biologen, Chemikern und Physikern ein Muss, bei allen anderen erspart es die ersten mühsamen Sprossen der Karriereleiter. Erste Festanstellung nur bei den ganz großen versteht sich, McKinsey, Apple oder Audi. Die Konkurrenz in der Abteilung ist groß, die „All-Nighter“ zahlreich, 100 Stunden Wochen nicht die Ausnahme. Freundschaften klar, zwischen den Projekten. Partnerschaft, Kinder? Muss sein. Wann? Na, ja wird sich zeigen.
Aus diesem Hamsterrad brechen immer mehr aus. Besonders die 30 – 40jährigen. Der Soziologe Hans Bertram, der ihnen ein ganzes Buch gewidmet hat, nennt sie die „überforderte Generation“. Sie müssen alles mehr und schneller machen als alle Generationen vor ihnen. Und haben immer weniger Lust dazu. Ihnen ist Zeit für sich selbst, Partnerschaft, Kinder und Familie wichtiger als Karriere und Status. Der Preis den sie zahlen bereit sind, ist weniger Geld. Und der Lebensstandard? Geht nicht runter, sondern nur woanders hin. Sie schrauben einfach ihren Konsum zurück. Gehen weniger in teure Restaurants, kochen statt dessen selbst. Restaurieren lieber alte Möbel als neue zu kaufen. Nutzen Dinge länger, schaffen haltbarere Gegenstände an. Statt für alles Handwerker zu beauftragen, machen sie die Dinge selbst. Die Baumärkte boomen unter diesem do-it-yourself Markt. Und aus Überforderten werden plötzlich Kreativkünstler des eigenen Lebens. Es geht eben auch anders. Wenn man denn will.
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